In der "Vor-Gründungszeit"

Während sich im übrigen Gebiet der Weimarer Republik bereits im Laufe des Jahres 1919 erste Ortsgruppen der Technischen Nothilfe aufstellten, war dies in den linksrheinischen Gebieten der preußischen Rheinprovinz nicht der Fall. Das linksrheinische Gebiet war ab der niederländischen Grenze bei Kleve im Norden, über die Rheinprovinz, die bayerische Pfalz, das Saarland und Rhein-Hessen einschließlich vier rechtsrheinischer „Brückenköpfe“ mit je 30 Kilometer Radius um Köln, Koblenz, Mainz und mit 10 Kilometer Radius um Kehl seit Ende des ersten Weltkrieges durch Truppen der Siegermächte besetzt.

Erster Wunsch nach Technischer Nothilfe im besetzten Gebiet

...wurde bereits im Jahre 1920 laut. Jedoch war der Aufbau durch einen Beschluss der alliierten Kommission untersagt. Ein Aufbau der Technischen Nothilfe im Bereich Rheinhessen war erst ab Mitte des Jahres 1930 möglich, nachdem die Franzosen die Besetzung Rheinprovinz aufgegeben hatten.

Das Fehlen der Technischen Nothilfe im besetzten Gebiet.

Anfang November brach in den Irrenanstalten Alzey und Goddelau ein Streik der Arbeiter und Pflegeangestellten aus; die Direktion der Heil= und Pflegeanstalt wies in einem Schreiben darauf hin, daß durch das Aussetzen von Licht, Heizung und Verpflegung ein großer Teil der hilflosen Kranken in Lebensgefahr gerate und außerdem die Möglichkeit gegeben sei, daß gemeingefährliche Geisteskranke entweichen und die gesamte Bevölkerung in ernsteste Gefahr bringen. Dieses Beispiel ist ein Zeichen dafür, wie notwendig eine Technische Nothilfe auch für das besetzte Gebiet ist, in dem ihre Organisation bekanntlich durch einen Beschluß der interalliierten Kommission seinerzeit verboten worden ist. Ein ähnlicher Fall ereignete sich auf dem Hüttenwerk Rote Erde bei Aachen; am 30. Oktober traten etwa 2.000 Arbeiter wegen Lohnforderungen in den Streik, und in kurzer Zeit stand das ganze Werk still. Notstandsarbeiten zur Aufrechterhaltung des Generatorenbetriebes und des Betriebes der Dampfturbinen wurden verweigert, so daß zwei Martinöfen "einfroren" und infolgedessen ein Schaden von 2 bis 3 Millionen entstand; wie die Direktion der Hüttengesellschaft der Roten Erde erklärt, hätten 30 Nothelfer diesen Schaden verhüten können.

Abschrift aus der Zeitschrift „Die Räder – Illustrierte Zeitschrift der Technischen Nothilfe e. v.“ I. Jahrgang, Ausgabe 23 von Dezember 1920. Räder Verlag G.m.b.H., Berlin.

 

Gründung einer Ortsgruppe in Bingen

Erster Bericht, der auf die Gründung einer Ortsgruppe der Technischen Nothilfe in Bingen schließen lässt, findet sich in Ausgabe 8 der TN Zeitschrift "Die Räder", vom 15. April 1931. Das dort veröffentlichte Bild zeigt Nothelfer aus Bingen und Idstein im Taunus an der Nahemündung. Dort wurde gemeinsam der Bau einer Behelfsbrücke geübt.

Somit kann von der Gründung der Ortsgruppe Bingen im Februar oder März 1931 ausgegangen werden.

Da die Nahe bis 1945 die Grenze zwischen preußischer Rheinprovinz nördlich des linken Ufers, und Rhein-Hessen am rechten Ufer darstellte, war die Stadt Bingen Teil des Großherzogtums (bzw. ab 1919 des Volksstaates) Hessen. Somit war die Ortsgruppe dem Landesbezirk Hessen zugeordnet. Das Einzugsgebiet dürfte gleich dem Alt-Kreis Bingen gewesen sein, denn über weitere Ortsgruppen im Kreisgebiet ist nichts bekannt.

Die Gründung fiel in eine Zeit innerer Umstrukturierungen der Technischen Nothilfe. Nach Budgetkürzungen und daraus folgend Auflösungen hauptamtlicher Dienststellen, aber auch Reduzierungen ehrenamtlicher Kräfte, richtete sich die TN ab den 1930er neu aus. Das Ziel war sich weg von der Notstandsorganisation zu entwickeln, die in Zeiten politisch motivierter Streiks den Betrieb in lebenswichtigen Werken aufrecht erhielt, hin zu einer technischen Hilfsorganisation im Katastrophenschutz und Luftschutz. Es wurden sowohl Helferinnen und Helfer geworben, diese mussten sich zur Demokratie der Weimarer Republik erkennen. Die TN selbst proklamierte für sich in dieser Zeit unpolitisch zu sein.

Abgeschlossen werden konnten die Umstrukturierungen zu demokratischen Zeiten nicht. Die Ausrichtung und auch Unterstellungsverhältnisse wurden mit der Machtübernahme der NSDAP im Deutschen Reich erneut grundlegend angepasst. 1934 enthob man den Vorstand seines Amtes; allen voran den TN-Gründer Lummitzsch, der nach NS-Proklamation mit einer Halb-Jüdin verheiratet war.

Hochwasserübung an Rhein und Nahe im April 1931

Landesbezirk Rheinland

  Bad Kreuznach. (B.T.=Übung) Der erst vor wenigen Wochen aufgestellte B.T. hatte mit 30 Nothelfern unter der tatkräftigen Leitung seines Führers, Bauing. Heep, am 19. April Gelegenheit, an der Hochwasserschutzübung des L.B. Hessen, und zwar an der Übungsstelle an der Nahe bei Dietersheim bei Bingen teilzunehmen. Insbesondere wurde on diesem Trupp ein Feldbahngleis für Lorenbetrieb auf einem hierzu erbauten Brückensteg über den Mühlkanal und an dem rechten Ufer desselben auf eine Länge von rund 150 m verlegt, sowie der Boden zur Dichtung einer beim letzten Hochwasser entstandenen Bruchstelle des Deiches eingebracht. Abschließend nahm er B.T. an der allgemeinen Verpflegung der Nothelfer in der Binger Festhalle (Anm.: Stadthalle) teil.

Abschrift aus der Zeitschrift „Die Räder – Illustrierte Zeitschrift der Technischen Nothilfe e. v.“
XII. Jahrgang, Ausgabe 10 von Mai 1931. Räder Verlag G.m.b.H., Berlin

 

Stimmungsbild von einem Frankfurter Nothelfer

  4.00 Uhr! Ein trüber, kalter, regnerischer Sonntagmorgen. – In verschiedenen Teilen der Stadt rasseln die Wecker der Nothelfer. Auf zur großen Hochwasserschutzübung, auf zum Rhein! – Mit einem Ruck springe ich aus dem Bett und gehe nach Beendigung der üblichen Toilette daran, den schon am Freitag erstandenen Arbeitsanzug und die unvermeidlichen Langschäfte anzuziehen. Ein Schluck Kaffee, in Eile den Brotbeutel umgehängt, und nun kann’s losgehen.

   Tiefe Stille herrscht noch in der Stadt, nur durch das Klappern unserer Stiefel auf dem Pflaster wird der Frieden unterbrochen. Heimkehrende Nachtschwärmer rissen verwundert die verschlafenen Augen auf und sahen uns nach. De werden sich den Kopf zerbrechen, was da wohl im Gange war. Und während sie müde in ihre Betten krochen, fuhren wir schon den frischen Morgen hinaus, in zwei Trupps: Fernsprech= und Rampenbautrupp geteilt, unserem Ziel, Frei=Weinheim entgegen. … An den vom Fernsprechtrupp besetzten Schnellastwagen der O. G. war die Gulaschkanone angekoppelt und von einem Spaßvogel mit Hilfe von Butterbrotpapier schon unter Dampf gesetzt worden.

   - - Die Stimmung bei uns ist sehr gehoben. Dicker Tabaksqualm schwebt unter der Decke des Postomnibus, Worte und Witze fliegen hinüber und herüber, wechseln sich ab mit Pfeifsolos und Gesang nach der Parole: nicht schön, aber laut. – Nach knapp einer Stunde Fahrzeit waren wir in Mainz, von wo es nach kurzer Rast über den Rhein dem Ziel entgegen ging.

Inzwischen hatte die Oberleitung die Sonne raushängen lassen, so daß bei unserer Ankunft am Übungsplatz das schönste Wetter herrschte. Nach kurzen einleitenden Worten erörterte unser Führer die gestellte Aufgabe, insbesondere den uns zufallenden Teil, und teilt uns in einzelne Gruppen mit je einem Führer ein. Dann ging’s frisch ans Werk.

   Der Übungsplan war folgender: Man nahm an, daß bei Frei=Weinheim (der Ort liegt unter der Hochwassergrenze) der Damm in einer Breite von 10 bis 12 m gebrochen, die Ortschaft überschwemmt und die Einwohner von der Außenwelt abgeschnitten waren. Sie sollten über einen vom B.T. Wiesbaden zu errichtenden Notsteg auf den Damm gerettet werden. Kranke, Verwundete, Vieh und sonstiges war durch die Selztalbahn an eine hochwasserfreie Stelle, eine Kreuzung der Bahn mit der Landstraße, zu bringen. Während der Fernsprechtrupp die Leitungen zu legen hatte, um die Verständigung der einzelnen Abteilungen untereinander und mit der Außenwelt zu ermöglichen, bestand unsere Aufgabe im Bau einer Rampe von 6 m Breite, die das Abladen ermöglichen sollte. Der Bürgermeister von Frei=Weinheim hatte Bohlen auffahren lassen, die Selztalbahn brachte das restliche Material, bestehend aus Holzschwellen und alten Telegraphenstangen.

   - - - In zwei Stunden war die Rampe, zur Hälfte auf einem Schwellenkreuzstapel, zur anderen auf einem Joch sich gründend, mit Bohlen gedeckt fix und fertig. Inzwischen waren auch die Telephonleitungen gelegt und die Sprechstationen besetzt; alles klappte tadellos. Während die Arbeiten ihrer Vollendung entgegen gingen, rollte Auto um Auto heran. Das schöne Wetter hatte viele angelockt, ganz Frei=Weinheim wimmelte von Menschen, Autos und Motorrädern. Ein buntbewegtes Bild bot sich uns, als wir in den Ort zum Empfang des Frühstücks fuhren. Die blanken Helme der Feuerwehr blitzten in der Sonne, während ihre Träger nach getaner Arbeit in Gruppen zusammenstanden, ihr Pfeifchen rauchten und einen „Schnack“ erzählten.

   Unser Magen (er hatte schon geknurrt) war mittlerweile mit Hilfe von je einem Viertel Blut= und Leberwurst, zweier Brötchen und einigen Bechern Kaffee, welch letzteren die Gulaschkanone auf dem Gewissen hatte, zur Ruhe gebracht worden. Wir besichtigten die einzelnen Arbeitsstellen, die Ortschaft und konnten es uns nicht versagen, auch „unseren“ goldgelben Rheinwein an Ort und Stelle auf seine Eigenschaften hin zu prüfen. Nachdem die eingeladenen Pressevertreter (es war ein ganzer Omnibus voll) die geleisteten Arbeiten besichtigt und uns den Rücken gewendet hatten, ging es ans Abbrechen und Aufräumen. Das war schneller getan als das Aufbauen, und nach kurzer Zeit waren die letzten Spuren unseres Wirkens verwischt. Die Geräte wurden gesammelt und eingepackt. Noch ein letzter Blick auf das Dörfchen, auf die von der Sonne bestrahlten, gegenüberliegenden Höhen, Wälder und Felder, und fort ging’s mit Gesang nach Bingen, das Futter= und Sammelplatz der Übungsteilnehmer war.

   In der Binger Stadthalle war „Fütterung der Raubtiere“. Gegen unsere Gutscheine gab’s dort 1 Teller Erbsensuppe, 2 Würstchen und ½ Liter Wein. An langen Tischen saßen die Kameraden hinter ihren Suppentellern; die Binger Feuerwehrkapelle spielte flotte Märsche und die Prominenten schwangen Reden. Nicht allein der Freude über das gute Gelingen der Übung wurde Ausdruck gegeben, manch erstes Wort, manch ernste Mahnung wurde an uns gerichtet und mit einem dreifachen Hoch auf unseren schönen, deutschen Rhein und unser deutsches Vaterland ging der Tag zu Ende.

   … Eine Panne des Omnibus zwang einen Teil der Mannschaft, mit dem Zug nach Hause zu fahren, während der Rest zum Telephontrupp geladen wurde, so daß der Teno=Wagen eng besetzt war. Noch einen Blick auf das gastliche Bingen und fort ging’s der Heimat zu. … Nach zweistündiger Fahr war Frankfurt wieder erreicht. Alles kletterte raus. Steife Glieder hatten wir bekommen. … Ein kurzer Gruße, ein Händedruck und jeder ging seines Weges, nach Hause … ins Bett.

   Ein paar lustige Aufnahmen werden uns ein schönes Andenken an einen herrlichen Tag bleiben. 
                                                                                                          stud. ing. H. F. Markus.

Abschrift aus der Zeitschrift „Die Räder – Illustrierte Zeitschrift der Technischen Nothilfe e. v.“
XII. Jahrgang, Ausgabe 10 von Mai 1931. Räder Verlag G.m.b.H., Berlin

Dank des Innenministers des Volksstaates Hessen und des Landesbezirks

Der Minister des Innern
Zu Nr. M. d. I. 1077

Darmstadt, den 24. April 1931.

   Die am vergangenen Sonntag an drei Übungsstellen: Lampertheim, Frei=Weinheim, Dietersheim, abgehaltene Hochwasserschutzübung hat mir den Beweis geliefert, daß Ihre Nothelfer von fachkundigen Führern vorzüglich ausgebildet und geleitet zur wirksamen Hochwasserbekämpfung in der Lage sind. Diese Arbeit im Dienste der Nächstenliebe und Nächstenhilfe verdient volle Anerkennung. Es liegt mir deshalb daran, die Leitung der Technischen Nothilfe in Frankfurt a. M. zu dem Erfolg der Übung zu beglückwünschen und zu weiterer segensreichen Betätigung im Rettungs- und Hilfsdienst anzuspornen.

gez. Leuschner.

Der Dank des Landesbezirks

   Die große Katastrophenabwehr-Übung an Rhein und Nahe am 19. April darf in jeder Weise als voller Erfolg gebucht werden. Vom frühen Morgen bis in den Spätnachmittag hinein haben die Nothelfer meines Landesbezirks in engster Arbeitsverbundenheit mit zahlreichen anderen zur Katastrophenabwehr berufenen Verbänden Mustergültiges zustande gebracht unter rückhaltlosem Einsatz von Körper und Geist im Dienste einer guten Sache. Behörden und Presse, die in großer Zahl die von der Nothelferschaft ergriffenen Abwehrmaßnahmen in Augenschein genommen haben, spendeten reiches Lob und höchste Anerkennung. Ihrem Urteil schließe ich mich freudigen Herzens an im Stolzgefühl, eine allzeit tatbereite, opferfreudige Helferschaft hinter mir zu wissen als unerläßliche Voraussetzung ernsthaften Widerstandes gegenüber der entfesselten Naturgewalt. Zugleich aber spreche ich allen Nothelfern, die an Rhein und Nahe mitwirkten, aufrichtigen Dank aus für ihre selbstlose Arbeit im Interesse der Gemeinschaft. Getragen von dem gleichen Geiste der Schaffenslust und Eintracht, der dieser Übung das Gepräge gab, sei auch zukünftighin unsere Losung: „Einer für alle, alle für einen!“                                            Der Landesbezirksleiter.

Abschrift aus der Zeitschrift „Die Räder – Illustrierte Zeitschrift der Technischen Nothilfe e. v.“. 
XII. Jahrgang, Ausgabe 11 von Mai 1931. Räder Verlag G.m.b.H., Berlin

Anmerkung: L. B. steht für Landes-Bezirk.

Sommer 1931 - Übung Bahnunglück in Bingerbrück

Bingen=Bingerbrück. (Übung des B. T.) Die Übung dieses jungen B.T. vollzog sich bei recht launischem Sommerwetter. Durch den zeitigen Hinweis in den Lokalblättern aufmerksam gemacht, füllten schon vor Beginn der Veranstaltung zahllose Schaulustige den weiten Nahekai. Die geladenen Behörden= und Pressevertreter fanden sich pünktlich und vollzählig ein. Den Nothelfern Bingens und Bingerbrücks fiel die Aufgabe zu, mit einer am gegenüberliegenden Naheufer angenommenen Eisenbahn=Unfallstelle Verbindung zu schaffen, um insbesondere den Verwundetentransport rasch und sicher zu ermöglichen. Das für diesen Zweck leihweise zusammengetragene Material durfte nicht benagelt und beschnitten werden, ein Umstand, der namentlich durch die ungleichen Kähne und Hölzer sehr erschwerend wirkte.

Trotzdem gelang es in kürzester Frist, für die Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz eine Kahnfähre herzurichten und die Mannschaft überzusetzen. Gleichzeitig wurde mittels eines dritten Kahnes eine Fernsprechverbindung vom angenommenen Verbandsplatz über die Nahe mit der „Unfallstelle“ bewerkstelligt. Behördliche und sonstige Gäste überzeugten sich durch Sprechproben vom einwandfreien Funktionieren der gesamten Anlage. Der Bau der Landungsbrücke stieß insofern zunächst auf Schwierigkeiten, als die Nahe zur Übungszeit etwa 2 Meter höher stand als bei normalem Sommerwetter. Hierdurch erhielt der zweite Bock, für den nur sehr starke Kanthölzer zur Verfügung standen, zu großen Auftrieb und schwamm. Drei Mann stürzten sich in die sommerwarme Flut und beschwerten den Bock so lange, bis die vorgebrachten Steckbalken diese Arbeit abnahmen. Die Landungsbrücke mußte zur Überwindung des Höhenunterschiedes zwischen Kaimauerkrone und Kahnfähre etwa 7 Prozent Gefälle erhalten. Die Sanitäter konnten nunmehr die „Verunglückten“ bequem zur Verbandsstelle übersetzen. Dabei wurde ein „Überbordgefallener“ von einem Rettungsschwimmer kunstgerecht aus dem Wasser geholt und wiederbelebt.

Nach getaner Arbeit folgten die Gäste einer Einladung des B. T.=Führers, Reg.=Baumeister Pulver, zur Überfahrt auf der Behelfsfähre, wobei die Aufgabe nochmals eingehend erläutert wurde. L.B.=Leiter Hilsdorf hob in der Kritik den Arbeitseifer und die vorzüglichen Leistungen der Nothelfer hervor. Während der Vertreter der Regierung, Reg=Assessor Bracht, u. a. auf die Bereitwilligkeit der Behörden hinwies, die Bestrebungen der T. N. weitestgehend zu fördern. Steinbildhauermeister Landvogt sagte die Förderung der Arbeiten seitens des Pioniervereins zu.

Mai 1938: Das Pulverhäuschen wurde gesprengt

  Die Technische Nothilfe Bingens machte in den Rheinkribben ganze Arbeit

Am Sonntagfrüh zogen die Kameraden von der Technischen Nothilfe, Ortsgruppe Bingen, XII/137, zu einer großen Sprengübung aus. Schon immer hatten sich die Kameraden so etwas gewünscht und nun war es soweit. Durch das Entgegenkommen der Strombauverwaltung, Wasserbauamt Bingerbrück, hatte die Technische Nothilfe die Erlaubnis erhalten, das alte Pulverhäuschen, das in den Rheinkribben unterhalb Bingerbrück stand, wegzusprengen. Das Häuschen, ein wuchtiges Mauerwerk mit einer Pulverkammer, war vor etwa fünfzig Jahren gebaut worden und diente damals zur Aufbewahrung des Pulvers, das bei den großen Sprengungen in dem gegenüberliegenden Steinbruch Verwendung fand. Seit vielen Jahren wurde es nicht mehr benutzt und da es nicht eine Zierde der Landschaft war, beschlossen die zuständigen Stellen jetzt seine Beseitigung.

  Für die Kameraden von der Technischen Nothilfe war es ein ausgezeichnetes Übungsobjekt und so machten sich am Sonntagmorgen die Binger Kameraden mit Eifer an die Arbeit. Unter Ortsführer Hermes rückten die Mannen in den frühen Morgenstunden an. Es waren noch allerlei Vorarbeiten durchzuführen, denn um 9 Uhr sollte der erste Schuß fallen.

  Als Gäste hatten sich Vertreter des Luftschutzes und der Strombauverwaltung eingefunden. Die Polizei besorgte den Absperrdienst und später hatte auch die Reichsbahn einen besonderen Sicherungsdienst eingerichtet. Für eine Sprengung lag das Häuschen in einem sehr gefährlichen Gelände. Fast hart an der Bahnlinie liegend, mußte darauf besonders Acht gegeben werden, denn sehr leicht konnten Steinbrocken auf den Bahnkörper fallen und evtl. gerade einen vorbeifahrenden Zug treffen. Doch, daß so was nicht vorkam, dafür waren genügend Sicherheitsmaßregeln getroffen, außerdem lag die Sprengung bei dem allbewährten Binger Schießmeister Martin Choquet in den besten Händen. Es verlief auch alles ohne jeglichen Zwischenfall.

  Allerdings, einen Haken hatte die doppelte und dreifache Vorsicht, die infolge der besonderen Umstände mehr als angebracht war, nämlich, bei den Sprengarbeiten mußte mit kleinen Ladungen zu Werke gegangen werden. Das hatte zur Folge, daß sich das schwere und wuchtige Mauerwerk nur langsam der Gewalt des Pulvers unterwarf. Dennoch kam der Mauerblock schon bei den ersten Schüssen ins Wanken und Loch um Loch fraßen die Sprengungen in den Bau, dem man in wenigen Stunden doch ziemlich zugesetzt hatte.

  Interessant war zuzusehen, wie man bei den einzelnen Sprengungen zu Werke ging. Zunächst bohrten die Kameraden an geeigneten Stellen Sprenglöcher in die 1 – 1,40 Meter dicke Mauer. Die Löcher wurden mit Pulver gefüllt, verstopft und dann entzündete mit sicherer Hand Schießmeister Choquet die Zündschnur. Man arbeitete, wie der Fachausdruck heißt, mit „Leitzündschnur“ und „dämmte ein“, um eine größere Sprengwirkung zu erzielen. Damit die gesprengten Steinstücke nicht allzuweit in der Luft herumflogen und Unheil anstifteten, wurden die Sprengstellen mit starken Baumästen usw. umlegt.

  Von 9 bis 12 Uhr krachte mancher Schuß und ertönte manchesmal die Signalpfeife, die zur Vorsicht mahnte und ankündete, daß es nun Zeit ist, sich außer „Reichweite“ zu bringen, denn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann sich ein losgelöster Stein verirren und ausgerechnet sich auf einen, der zu neugierig ist, stürzen.

  Nun, es passierte nichts. Dafür aber arbeiteten die Kameraden mit Pickel und Hacke um so eifriger und bohrten, schafften Steine weg und bauten „Verdämmungen“. Es war für viele Stunden ein emsiges Schaffen und wenn bis 12 Uhr der „Turm“ nicht ganz lag, so war das weiter nicht schlimm. Eine richtige, d.h. eine starke Ladung, hätte das trotzende Mauerwerk mit einem Schlag umgeworfen, aber es war nun in diesem Fall nicht möglich, weil die Vorsicht es anders gebot. Die Kameraden werden in den nächsten Tagen nochmals antreten, und mit weiteren Sprengschüssen das Häuschen restlos beseitigen.

  Die Sprengung war als Übung angesetzt und nahm als solche einen sehr erfolgreichen Verlauf. Die Männer von der Technischen Nothilfe fühlten sich in ihrem Element und ihnen wurde dabei klar und deutlich bewußt, wie notwendig ihre Aufgabe und erforderlich ihr Einsatz war.

Abschrift aus: Mittelrheinischer Anzeiger vom 20. Mai 1938

 

Oktober 1945: Auflösung der Technischen Nothilfe

Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 wurden mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10.10.1945 die NSDAP und alle mit ihr in Zusammenhang stehenden Organisationen und Einrichtungen durch den Alliierten Kontrollrat verboten.

Als Teil der Polizei betraf dies auch die Technische Nothilfe. Diese war im Anhang zum Gesetz unter Nummer 61 aufgeführt.

Gemäß direktiven, die durch den Kontrollrat zu diesem Gesetz erlassen wurden, wurden Räumlichkeiten und Eigentum der aufgelösten Organisationen beschlagnahmt oder gegebenenfalls an das jeweilige Land oder die Provinz übergeben.

Das Zeichen der Technischen Nothilfe:

Die Dienst- und Arbeitsbekleidung der Technischen Nothilfe in den ausgehenden 1930er Jahren:

Mit Postkarten wurde in den ausgehenden 1930er und frühen 40er Jahren geworben: